MILA Mitglied Karin Kuna beschreibt für uns den Besuch der AG Sortiment bei der Stadtlandwirtschaft Mader und der kleinen Stadtfarm, wo die Pilze-Züchter Hut & Stiel zu Hause sind.
Fest treten wir in die Pedale, um dorthin zu kommen, wo Wien ins Niederösterreichische ausfranst, der Kirchturm von Groß Enzersdorf näher ist als die nächste Bushaltestelle und die Grenze zum Nationalpark Lobau verläuft. Wir, gemeint ist die Neigungsgruppe Sortiment, sind auf dem Weg zur Stadtlandwirtschaft Mader
Unsere Räder stellen wir am schattigen Eingang zum Hofladen ab, jener Adresse also, an der jeden Freitag Früh unerschrockene MILA-Morgenmenschen das für den Verkauf im Minimarkt bestimmte, frische Bio-Saisongemüse „vom Mader“ abholen.
Trinkflaschen-bewaffnet machen wir uns auf zur Erkundung der Vielfalt-Gärtnerei. Firmenchef Hans Mader lotst uns vorbei an Kisten mit knackigen Salat-Varianten, prallen Paradeisern in unterschiedlichster Sortenauswahl, frischen Kräutern und erdigem Wurzelgemüse. Er strebt hinaus in sein Reich der weitläufigen Felder, Gewächshäuser und Folientunnel. Nicht nur ein Gutteil seiner Pflanzen sondern auch der Gärtner selbst sind Hitze-resistent, offenkundig auch an diesem schwülen Nachmittag, was sich an der Ausdauer im Vortrag zeigt. Leidenschaftlich erzählt Hans Mader von seinen Feld-Versuchen mit neuen Kulturen (Ingwer und Kurkuma etwa), gibt unumwunden Trial-and-Error-Erfahrungen preis (zum Beispiel mit Misch-Anbaumethoden) und erklärt detailliert den hohen Betreuungsaufwand „pflegeintensiver“ Paradeiser im Unterschied zum Paprika, der „auch alleine zurechtkommt“. Passion und Profession in Personalunion ringt mir als Zuhörerin großen Respekt ab vor Arbeits- und Lebensleistung im Maderschen Familienbetrieb, dessen Wurzeln an anderem Standort weit zurück ins 19. Jh reicht.
Schließlich kehren wir zurück nicht nur zur Produkt-bezogenen Information, sondern auch wieder zum Hofladen. Vorbei am (Pferde-)Misthaufen (der Dünge-Basis) spazieren wir retour, bestaunen Beikraut-vermeidende Bodenabdeckung, kunstvoll gespannte Spalier-Schnüre, Palmkätzchen-Pflanzungen zur Beschattung der Folientunnel und die Rauchschwalben-Nester in der Verarbeitungshalle. Noch rasch wird Ab-Hof eingekauft und schon radeln wir wieder Richtung Stadt, hinein in die Lobau mit dem Ziel Naufahrtweg in der Donaustadt.
Hut & Stiel GmbH
Langjährig Informierten der lokalen Bio-Szene und Interessierten der Urban-Gardening-Bewegung ist die Kleine Stadtfarm ein Begriff. Hier im Konglomerat von Kleingarten 2.0-Vereinen inmitten der Aufbruchstimmung innovativer Start-Up-Zirkel hat sich das Unternehmen Hut & Stiel als treibende und gestaltende Kraft etabliert.
Gegründet von Manuel Bornbaum und Florian Hofer stand von Beginn an die Forderung nach Wandel in der Lebensmittelproduktion im Fokus, wobei natürliche Kreisläufe und Ressourcen-Nutzung zentrale Hebel sein sollten. Die beiden Agrarwissenschafter starteten 2015 mit einer Pilze-Zucht, basierend auf der Idee, in der Kaffeehaus-Traditionsstadt Wien die Unmengen reinen Bio-Kaffeesatzes als „Zuchtboden“ zu nutzen. Der Rest ist Geschichte. Neben medialem Hype und Auszeichnungsregen durften und dürfen sich Hut & Stiel vor allem der Herausforderung gesunden Wachstums stellen. Seit 2018 ist die Stadtlandwirtschaft in der Lobau tätig, ein großer Produktionskeller wurde vor kurzem in Klosterneuburg in Betrieb genommen.
Wenn er gestresst ist, so lässt er sichs nicht anmerken – freundlich begrüßt uns Geschäftsführer Manuel Bornbaum im Café Schillwasser, dem überaus einladenden Entree zum Stadtfarm-Gelände. Rasch ist klar: Der Mann ist keinesfalls ein „Schwammerl“ und schon gar nicht geht er mit uns in den Keller lachen – ganz im Gegenteil. In sympathisch-humorvoller Offenheit erzählt der gelernte Agrarwissenschafter von den jüngsten Entwicklungen, gibt Einblick in die Kehrseite von raschem Umsatz-Plus und beschreibt die Crux mit suboptimaler Verpackung in der Weiterverarbeitung der Pilze.
Wir stehen vor einer Art Nirosta-Knetmaschine, deren Herz eine Gewinde-Schnecke ist, die aus Kaffee-Abfall und Zusatz eine Boden-Melange mischt. In kleine Säcke gefüllt, später mit Schlitz versehen, dienen sie als Zucht-Terroir für die Austernpilze. In klimatisierter Dunkelkammer ruhen die Brut-Kissen, wir bestaunen embryonale „Nagerl“ und die adulten, sprich verzehrfähigen Exemplare, die sich in anmutigem Stretching in lockerer Gruppierung aus dem nährenden Schwarz erheben. Meine Verzückung mag einem frühkindlichen Trauma entspringen, als ich kleine Schwammerl-Tigerin um 5h aus dem Bett und wenig später in den morgendlichen Wald gejagt wurde, um (gefühlt) stundenlang müden Auges und verschlafen hinter meinem Papa tapsend die Mahlzeit-Menge an Eierschwammerln erstierln durfte … und jetzt stehe ich inmitten modriger Wohlgerüche, die Objekte meiner Begierde wachsen auf Augenhöhe (die Eichelhäher-Warnrufe kann ich immer noch von der App dazu abspielen).
Nicht nur ich bin begeistert von der vermeintlich Watschen-einfachen Umsetzung einer Lebensmittelproduktion und in Gedanken schon im Ernterausch an meinem Kellerregal … Moment, da war noch was auf dem Weg zum „einfach in die Pfanne schmeißen“. Manuel Bornbaum schildert detailliert seine Erfahrungen in der Verarbeitung von Austernpilzen zu den beliebten Pilz-Würstln (findest du im rechten MILA-Kühlregal), eine händische, ergo sehr aufwändige und langwierige Prozedur, von der Haltbarmachung bis zur Verpackung. Wir sinnieren, nicken verständig und nachdenklich. Und schon verändert sich bei den aufmerksam Lauschenden die Perspektive zum leidigen Thema Preis-Leistungsverhältnis.
Schließlich genießt ein Teil der Exkursionsgruppe noch eine ausgiebige Verkostung vor Ort im Café Schillwasser (Stichwort Schwammerl-Schawarma). Die weniger Gewitter-Beständigen machen sich rauchenden Reifens auf den langen Heimweg.
Conclusio: Mein persönliches Resümee aus dem Er-Fahrenen und Erfahrenen des Tages ist wieder einmal, dass wir zwischen konventionellen Nahrungsmitteln und biologischen Lebensmitteln unterscheiden müssen. In letztere zu investieren ist nicht nur eine Frage von Selbstliebe, sondern auch eine Frage von Respekt den Bio-Produzent*innen gegenüber.