Die Dorfgenossenschaft Um’s Egg eG betreibt seit 2019 das 1. Ennstaler Genossenschaftsgeschäft. Mittlerweile gibt es zwei weitere Standorte und ein dritter ist geplant. Ende April besuchen David Jelinek und Beatrice Stude Um’s Egg. Bernd Fischer und Brigitte Kieweg – er Geschäftsführer, sie Vorsitzende, beide Gründungsmitglieder – lassen uns mitarbeiten und beantworten viele Fragen – Teil 2.
Autorin: Beatrice Stude
Ardning und Pruggern – geplant ist Steyrdorf
In Ardning leben gut 1.200 Menschen, es liegt 70 km südlich von Losenstein. In Pruggern leben knapp 800 Menschen, rund 100 km entfernt südwestlich von Losenstein. Beide Gemeinden liegen in der Steiermark. Das Regionalmanagement und der Bezirk Liezen kamen zu Um’s Egg und baten um Hilfe, die errichteten Nahversorger, die nicht funktionieren, ins Laufen zu bringen. Aus der anfänglichen Beratung wurden die zwei neuen Standorte von Um’s Egg. So können die Investitionen, wie die Bargeldautomaten und Selbstbedienungskassen, weiter genutzt werden und der Ort hat einen Nahversorger.
Der Standort Ardning befindet sich in einer ehemaligen Raiffeisenbank-Filiale: 40 Quadratmeter Verkaufsfläche mit 20 Quadratmetern Nebenräumen. In Pruggern sind es 22 Quadratmeter Verkaufsfläche.
Beide Standorte sind nur zur Selbstbedienung – ohne Zutrittskarte. Sie sind 72 Stunden die Woche offen. Jede*r kann einkaufen – dafür muss niemand Mitglied sein.
„Auch kleine Mädchen kommen und kaufen ein. Da kommen viele Kinder, die bekommen 10 Euro mit, und gehen einkaufen.“
Und das funktioniert? Bernd hat jetzt öfters Inventur gemacht: Die Lagerstände stimmen fast immer. Und, wenn doch einmal etwas nicht passt, bleibt die Frage: Ist es jetzt wirklich Schwund in den Selbstbedienungsläden oder hat sich in der Früh beim Kommissionieren jemand vertan? Das gilt es dann zu klären.
„Ja, es ist ein Vertrauensprojekt.“
Die Leute kennen sich in den kleinen Ortschaften, es gibt soziale Kontrolle. Steyr ist dafür zu groß, da müssen sie noch überlegen wie sie es machen.
Denn bald soll ein weiteres Genossenschaftsgeschäft in Steyrdorf dazu kommen. Steyrdorf ist ein Stadtteil und die ältere Altstadt in Steyr. Früher war das der Einkaufsstadtteil, bald schließt der letzte Bäcker. Dienstleister*innen, darunter viele Architekt*innen haben die Erdgeschosse besiedelt, ein Nahversorger fehlt – für die rund 3.500 Bewohner*innen von Steyrdorf. Insgesamt leben in Steyr rund 38.000 Menschen, es liegt 20 Kilometer nördlich von Losenstein, ebenfalls in Oberösterreich.
Vorbestellen – aus dem gesamten Sortiment
Mitglieder können auch aus dem gesamten Sortiment von BioGast bestellen. Wer ganze Einheiten nimmt bekommt noch zusätzlich einen Rabatt, da dies dann nicht ins Regal eingeräumt wird. Vor allem auch Dinge, die es nicht zu kaufen gibt im Genossenschaftsgeschäft – da der Regalplatz einfach beschränkt ist.
„Eine Dame in Ardning bestellt oft lactosefreien Joghurt, sie schickt mir dann eine SMS: Bitte diese Woche wieder eine 10er Pack Joghurt mitbestellen. Das geht dann in einen extra Raum im Lager. Sie weiß wo das ist.“
Das erzählt mir Bernd als Beispiel. Und ja, es ist ein gewisser Aufwand, aber der Fahrer fährt ohnehin und es ist ein Zusatzgeschäft, also zusätzlicher Umsatz für Um’s Egg.
Umsatz & Hürde Nachschusspflicht
300.000 Euro ist der Jahresumsatz von Um’s Egg, netto, das heißt ohne Umsatzsteuer. Das sind 25.000 Euro im Monat: Auf die Frage, ob sie schon schwarze Zahlen schreiben, antwortet Bernd: Wir halten es immer spannend!
Die Nachschusspflicht ist eine große Hürde bei der Aufnahme neuer Mitglieder: Wäre gut, wenn die bald fällt! Die Mindesteinlage bei Um’s Egg sind 300 Euro, das sind drei Genossenschaftsanteile à 100 Euro.
„Der Billa baut jetzt aus, der wird noch größer. Aber das ist für uns völlig wurscht – weil die Leut’ die bei uns einkaufen, die gehen sowieso nicht zum Billa.“
So kommentiert Brigitte den Ausbau des konventionellen Supermarkt in der Nachbarschaft in Losenstein.
Großes Interesse
Bei Um’s Egg gibt es keinen Aufsichtsrat, den braucht es nicht – erst ab 40 Angestellten wäre einer gesetzlich vorgeschrieben.
Einmal im Jahr findet eine Generalversammlung statt: 40 bis 50 Genossenschafter*innen kommen, das ist circa ein Drittel aller Mitglieder. Das ist viel.
„Wir haben ja immer große Themen – letztes Mal die neuen Standorte.“,
erklärt Bernd das große Interesse.
Bald wird Um’s Egg mehrere Ortsgruppen haben, wie sie damit umgehen werden, wird derzeit überlegt. Die Ortsgruppe Steyrdorf ist so gut selbst organisiert, dass sie alles selber machen: Logo, Folder – alles schon da. Und bei der ersten Versammlung waren um die 150 Leute, die kaum etwas erklärt haben, sondern wissen wollten, wo sie unterschreiben können: Die Resonanz war einfach überwältigend.
Kuriensystem funktioniert
Das war die richtige Entscheidung für die Genossenschaft, das Kuriensystem funktioniert gut. Es ist gut, dass gewichtet ist – alle drei Kurien haben ein Drittel am Stimmengewicht:
- Die sieben, die die Dorfgenossenschaft gegründet haben sind die Kernmitglieder und bilden die erste Kurie. Sie sind die Hüter*innen der Idee und Satzung.
- Die Kund*innen, Freund*innen und Förderer*innen bilden die zweite Kurie.
- In der dritten Kurie sind die Lieferant*innen und Produzent*innen.
Die Mitglieder haben teils unterschiedliche Interessen, das Kuriensystem balanciert diese Interessen aus.
„So können die Kund*innen nicht einfach bestimmen, dass jetzt alles ganz billig sein soll!“
erklärt Brigitte bei der Jause.
Zum Beliefern oder Produzieren für Um’s Egg, wie auch das Einkaufen muss niemand zwingend Mitglied werden.
Und, in die Kurie der Kernmitglieder können weitere Mitglieder gewählt werden, zum Beispiel jemand der später dazu gekommen ist, sich aber voll engagiert.
„Sonst stirbt diese Kurie ja irgendwann biologisch aus!“
So erklärt uns Bernd diese Festlegungen in der Satzung. Brigitte stimmt zu, sie ist die Älteste in der Kurie der Kernmitglieder.
Mitarbeiten & Mitmachen
In Summe sind es neun Leute, die bei Um’s Egg angestellt sind: Seit heuer ist Bernd Fischer Vollzeit angestellt: Er ist gewerberechtlicher Geschäftsführer und einfaches Vorstandsmitglied. Alle anderen arbeiten in Teilzeit oder geringfügig – zwischen 5 Stunden bis zu 20 Stunden pro Woche. Viele arbeiten geringfügig, weil sie in der Pension oder in der Karenz nebenbei arbeiten.
Die Mitarbeit für Mitglieder ist freiwillig und erfolgt in verschiedenen Teams. Sechs Mitglieder unterstützen beispielsweise das Angestellten-Team beim Kommissionieren, der Warenannahme.
Klar, Um’s Egg freut sich über weitere Mitglieder! Vor allem für den neuen Standort: Interessierte können ihr Interesse über eine Absichtserklärung für den Steyrdorfladen bekunden und sich in der Ortsgruppe einbringen.
Weitere Informationen
- Ein Dorf versorgt sich selbst – Teil 1
- Absichtserklärung für Steyrdorfladen
- Dorfgenossenschaft Ums Egg
- Game Changer Dorfgenossenschaft – Beitrag über Um’s Egg, April 2021