Am 20. August zeigten wir »Food Coop«, die Doku über den genossenschaftlichen Supermarkt Park Slope in New York. Im Anschluss diskutierten Nina Horaczek, Chefreporterin des FALTER und MILA-Mitglieder Claudia Zefferer und David Jelinek über unser Projekt MILA – Mitmach Supermarkt in Wien. Begleitend gab es erste kleine Kostproben zukünftiger Produkte.
Der Saal des Volkskundemuseums Wiens im ersten Stock in der Laudongasse ist gut gefüllt, trotz der sommerlichen Temperaturen an diesem Freitagabend. Es sind viele neue Gesichter da. Einige von ihnen werden am selben Abend noch Mitglieder von MILA – Mitmach Supermarkt.
Ich spare 250 Dollar im Monat. Das sind 3.000 Dollar im Jahr, 30.000 in 10 Jahren und eine Million Dollar wenn ich 300 Jahre einkaufe.,
sie schmunzelt auf der Leinwand und erhält viele Lacher im Publikum. Die Lehrerin sitzt in ihrer New Yorker Wohnung am Küchentisch auf dem sie ihre Einkäufe präsentiert und vergleicht: Den Einkauf dieser Woche bei »Wholefoods«, einem konventionellen Supermarkt, mit dem bei »Park Slope Food Coop« vor zwei Wochen. Sie spart im Schnitt 40 Prozent.
Für 2 Stunden und 45 Minuten Mitarbeit im Monat kann sie 7 Tage die Woche von 8 Uhr in der Früh bis 20 Uhr abends in der »Park Slope Food Coop« gute und günstige Lebensmittel und andere Waren des täglichen Bedarfs einkaufen. Das ist der Deal. Nur Mitglieder können einkaufen. Während des Einkaufens und Mitarbeitens können die Mitglieder ihre Kinder vor Ort betreuen lassen, organisiert von Mitgliedern, auch das zählt als monatliche Mitarbeit.
Wir bitten die Menschen um das wertvollste was sie besitzen: Ihre Zeit!,
erklärt Joe Holtz, derzeit General Manager und Mitbegründer, in der Doku das Konzept: Wer mitarbeitet, darf mitbestimmen und besitzt mit. Die Mitarbeit aller reduziert die Personalkosten, nur ein kleines Team ist angestellt. Wer eine Mitarbeitsschicht verpasst muss zwei Wiedergutmachungsschichten machen, um weiter einkaufen zu können. Die Mitarbeitsschichten und vieles andere koordinieren Mitglieder im Büro. Es wundern sich viele, dass niemand verärgert ist, wenn sie anrufen, um ihre Wiedergutmachungsschichten abzustimmen. Viele sehen die Mitglieder im Büro quasi als Vorgesetzte an. Das sind sie aber nicht. Die Food Coop ist ein kooperatives Unternehmen: Die Mitarbeitsschichten sind wichtiger Beitrag damit der Laden läuft – sie liegen in der Verantwortung von jedem Mitglied selbst.
Park Slope Food Coop hat so einen hohen Umschlag, dass ich auf den Produkten gar nicht mehr nach dem Datum schauen muss. Es ist immer alles total frisch!,
erzählt eine Köchin in der Doku. Park Slope ist sehr erfolgreich, wobei sie nur 20 % auf die Produkte aufschlagen. Zum Vergleich: Die Park Slope Food Coop macht mit rund 560 Quadratmetern Verkaufsfläche fast den 10-fachen Umsatz wie ein Hofer-Discounter hierzulande mit durchschnittlich 710 Quadratmetern. Mit 9.348 Euro Umsatz am Quadratmeter Verkaufsfläche belegte Hofer 2019 weiterhin Platz 1 in Österreich.
»Food Coop – der Film«, vermittelt, was schwer zu beschreiben ist: wie 17.000 Menschen auf rund 1.000 Quadratmeter Verkaufs- und Lagerfläche gemeinschaftlich wirtschaften und sich mit Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs versorgen. Es ist eine Doku von Tom Boothe von 2016. Ein Jahr später eröffnet der kooperative Supermarkt »La Louve« in Paris nach New Yorker Vorbild, den er mit aufgebaut hat. La Louve hat heute 6.000 Mitglieder, ist eingemietet in einen sozialen Wohnungsbau im 18. Arrondissement – in einem sozial gemischten Bezirk, unweit vom Nord- und Ostbahnhof Paris und der Kirche Sacre Coeur. »La Louve« ist so erfolgreich, dass vorzeitig bereits Kredite zurück bezahlt werden konnten.
Gute, günstige Lebensmittel und Teil einer Gemeinschaft die Zukunft mitgestaltet zu sein – das ist das Angebot, dass Park Slope Food Coop in Brooklyn New York City seit Jahrzehnten macht und hält. La Louve hat dieses Konzept erfolgreich nach Europa übersetzt. Mit MILA – Mitmach Supermarkt wollen wir dieses Zukunftskonzept nach Wien bringen und an die kulturellen und örtlichen Gegebenheiten anpassen: Es gibt in Wien sehr viele Lebensmittelgeschäfte der drei großen Ketten, die den Markt dominieren und immer mehr die Vielfalt der Produkte durch Eigenmarken ersetzen. MILAs Ziele sind jedenfalls günstig, sowie vielfältiger und nachhaltiger als konventionelle Supermärkte zu sein.
Nina Horaczek, Chefreporterin vom FALTER moderiert den Abend. Sie ist selbst vor einiger Zeit bei der Recherche von guten Beispielen wie wir Zukunft gestalten können auf die Park Slope Food Coop gestoßen. Im Anschluss an die Doku stehen David Jelinek, Gründungsmitglied von MILA, und Claudia Zefferer, die ihre Masterarbeit über kooperative Lebensmittelversorung geschrieben hat und ebenfalls MILA Mitglied ist, auf der Bühne für die Fragen aus dem Publikum:
- Gibt es einen Businessplan? Ja, der ist gerade in detaillierter Ausarbeitung.
- Wie kann ich mitmachen? Jetzt kann jede*r Mitglied im Verein MILA werden, der den genossenschaftlichen Supermarkt vorbereitet: Entweder als solidarisches Mitglied oder als aktives Mitglied mit Mitarbeit und Stimmrecht – der Mitgliedsbeitrag im Verein MILA beträgt 24 Euro / Jahr.
- Wie sozial ist MILA für Arbeitslose, Geflüchtete, etc. ? MILA ist offen für alle, die das Konzept unterstützen und Teil davon werden wollen. Den Mitgliedsbeitrag im Verein MILA kann jede*r selbst eingeschätzt, auf die Hälfte, 12 Euro/ Jahr reduzieren. Auch in der späteren Genossenschaft wird die Höhe der Geschäftsanteile sozial gestaffelt sein: 25 Euro für finanziell Benachteiligte, statt der 100 Euro, ist derzeit geplant.
- Wo steht MILA jetzt? Wir haben circa. 300 Mitglieder, von denen 30 bis 40 sich aktiv in die Aufbauarbeit einbringen.
- Wo wird der Supermarkt sein? Für den Standort favorisieren wir sozial durchmischte Viertel, gut angebunden an U-Bahn und/oder Straßenbahn.
- Wann geht es los, was braucht es dafür? Für den Start braucht es etwa 2.000 Mitglieder, deren Anzahl dann stetig weiter wächst. Wir wollen mit 3.000 bis 4.000 Produkten beginnen und die Produktauswahl sukzessive erweitern. Wir wollen eine One-Stop-Shopping-Destination, also einen Supermarkt mit Vollsortiment, wo du alles bekommen kannst, was du brauchst.
- Damals in den 60/70er Jahren, als die Park Slope Food Coop gegründet wurde, gab es einen gesellschaftlichen Umbruch: Sind die Ausgangsvoraussetzungen heute ähnlich? Ja wir haben die Klimakrise und wollen das Versorgen wieder mehr in die Hände der Produzierenden und Konsument*innen legen, derzeit gibt es eine enorme Machtkonzentration im Handel.
- Wie steht ihr zu den bestehenden Food Coops in Wien? MILA – Mitmach Supermarkt ist für uns, das Food Coop Konzept weiterentwickelt: vereinfacht, weniger zeitaufwendig und damit alltagstauglich und für mehr Menschen möglich. Einige unserer aktiven Mitglieder sind Mitglieder in Foodcoops oder haben welche mitaufgebaut und als Verein MILA sind wir im Austausch mit der IG Foodcoops.
Nina Horaczek endet den Abend mit einem Wunsch:
Bitte erzählt Oma, Opa, Tante, Nichte, Nachbarinnen und Kollegen von MILA, damit MILA weiter wachsen und gedeihen kann!
Zum Ausklang gehen wir noch in den Gastgarten. Hier sitzen wir über den Datenservern auf denen wir als Verein MILA eingemietet sind: Unsere Datencloud »MILA-Wolke« und das erst kürzlich aufgesetzte Forum laufen auf den Servern im Keller des Volkskundemuseums im 8. Bezirk von Wien. Open Source, mit offenem Quellcode. Hier wird deutlich, MILA ist eine Haltung, die sich in alle Bereiche auswirkt.
Dieser Doku-Filmabend wurde im Rahmen des »Piloten Mitmach Supermarktes« gefördert: durch die Wirtschaftsagentur Wien, einem Fonds der Stadt Wien.