Im sechsten Teil von »Wir gründen unsere MILA Genossenschaft« widmen wir uns dem Geschäftsjahr. Wenn es ident ist mit dem Kalenderjahr muss der Jahresabschluss nach den Feiertagen zum Jahreswechsel stattfinden – in der für einen Handelsbetrieb intensivsten Zeit. Ein abweichendes Geschäftsjahr ist möglich – nur macht das kaum wer. Warum? Es gibt eine Hürde …
Autorin: Beatrice Stude
In unserer Satzung legen wir fest, wann unser Geschäftsjahr – oft auch Wirtschaftsjahr genannt – regulär beginnt. Ulla Brodträger, engagiertes Vorstandsmitglied bei MILA und pensionierte Buchhalterin, hat angeregt das Geschäftsjahr vom Kalenderjahr zu trennen: Denn zu Weihnachten infolge der Einkäufe für Geschenke und Festessen sind die Lager gefüllt. Und mit den Feiertagen ist es für jene im Berufsalltag oft eine stressige Zeit, die den Jahresabschluss vorbereiten und erstellen.
Das Wichtigste in Kürze
- Warum das Geschäftsjahr vom Kalenderjahr trennen? Der Jahresabschluss ist in einer ruhigeren Zeit möglich, zudem erleichtert ein niedrigerer Lagerstand die Inventur – anders als in der für einen Handelsbetrieb intensiven Zeit, dem Jahreswechsel.
- Was schreibt das Gesetz vor? Die Genossenschaft ist weder eine Kapitalgesellschaft noch eine Personengesellschaft – sie ist eine Personenvereinigung mit Rechtspersönlichkeit. Die Genossenschaft ist Unternehmerin kraft Rechtsform. Sie ist körperschaftssteuerpflichtig, wenn sie Gewinn macht.
- Die Hürde: Die Genossenschaft kann grundsätzlich erst dann mit ihrem Geschäftsjahr vom Kalenderjahr abweichen, wenn sie mehr als 700.000 Euro Umsatzerlöse im Geschäftsjahr erzielt.
Wer weicht ab?
Wer hat ein Geschäftsjahr, das vom Kalenderjahr abweicht? Sie alle haben das Kalenderjahr als Geschäftsjahr: Die Dorfgenossenschaft Ums Egg in Losenstein, die Speis von Morgen in Innsbruck, die Mimamarkt eG in Klagenfurt und die Bio-sphäre Wechselland eG in Hartberg.
Auch Nicht-Handelsbetriebe wählten das Kalenderjahr als Wirtschaftsjahr, wie die Zukunftshof eG in Wien, die Genossenschaft für Gemeinwohl in Gumpoldskirchen als auch die Smart At eG in Wien.
Eine Organisation ist bei der Recherche aufgetaucht, die abweicht – wenn auch eine Referenz aus den USA, so ist die Begründung fürs Abweichen interessant: Der Rotary Club International endet sein Geschäftsjahr am 30. Juni, seit 1913. Damals haben die Buchprüfer*innen dies empfohlen, um genügend Zeit für das Vorbereiten der jährlichen Tagung im August zu haben, die Finanzen zu budgetieren und die Aufgaben zu verteilen.
Nur Vorteile
Wenn das Geschäftsjahr vom Kalenderjahr abweicht, kann der Jahresabschluss zu einer ruhigeren Zeit erfolgen, wie auch dessen bürokratische Abwicklung – zum Beispiel in den Sommermonaten. Im Sommer sind auch die Lagerstände von Handelsbetrieben zumeist niedriger und erleichtern die Inventur.
Vor der Pandemie wurde der Jahresabschluss in Handelsbetrieben oft innerhalb von drei Monaten erledigt: Diese verkürzte Zeit fordert oft die Bank ein, das Finanzamt erlaubt längere Fristen. Intern hat der Vorstand innerhalb der ersten fünf Monate einen Jahresabschluss und Bericht für die Generalversammlung zu erstellen, gemäß § 22 Abs. 2 GenG.
Die Bio-sphäre Wechselland eG in Hartberg als Teil des Familienbetriebes Matzer hätten gern ein abweichendes Wirtschaftsjahr. 1979 eröffnete die Familie den ersten Bio-Laden in Graz. Heute sind es vier Handelsbetriebe, zwei davon als Genossenschaft organisiert, eine als GesmbH und die vierte als Einzelunternehmen. Alle Betriebe haben eine eigenständige Buchhaltung, aber der Einkauf und die Verwaltung erfolgt betriebsübergreifend, gemeinschaftlich für alle vier Geschäfte. Für einen ihrer Handelsbetriebe hatten sie 2010 ein abweichendes Geschäftsjahr beim Finanzamt beantragt, die Antwort: Ein negativer Bescheid – ohne Begründung.
Am Telefon erzählte sie, dass sie für ein abweichendes Geschäftsjahr wohl Mitte oder Ende August wählen würden. Warum? Weil Ende Juni alle Mitarbeiter*innen und sie eingeschlossen urlaubsreif sind. Zudem ist der Schulschluss für Eltern mit Kindern im Schulalter eine intensive Zeit. August hingegen ist der umsatzschwächste Monat, da haben Mitarbeiter*innen mehr Zeit. Hier ließe sich das Geschäft auch leicht für einen Tag unter der Woche zusperren, um die Inventur zu machen.
Ulla Brodträger empfiehlt uns für MILA einen Stichtag zum Quartalswechsel zu wählen: Ende März oder Ende September. Denn im August ist kaum jemand erreichbar, um offene Fragen zu klären, weil alle im Urlaub sind – und ein stressiger August ist auch nicht so lustig.
Gesetzliche Vorschriften
Die Genossenschaft ist eine spezielle Rechtsform, sie ist weder Personengesellschaft noch Kapitalgesellschaft.
Genossenschaften sind Personenvereinigungen mit Rechtspersönlichkeit von nicht geschlossener Mitgliederzahl, die im Wesentlichen der Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder dienen.
Unternehmensserviceportal Finanzministerium
Genossenschaften sind Unternehmerinnen kraft Rechtsform, gemäß § 2 UGB, Unternehmensgesetzbuch. Ein Geschäftsjahr, auch Wirtschaftsjahr genannt, beträgt 12 Monate, so regelt es der § 193 UGB. Wer vom Kalenderjahr als Geschäftsjahr Abweichen will, benötigt die Zustimmung des Finanzamtes, gemäß § 4a EStG bei Umstellung. Für Land- und Forstbetriebe schreibt das Einkommenssteuergesetz gar ein abweichendes Wirtschaftsjahr vor, dass am 30. Juni endet.
Das Finanzamt
Neben dem Jahresabschluss ist eine Umsatzsteuerjahreserklärung zu erstellen. Der Stichtag dafür ist anpassbar an ein vom Kalenderjahr abweichendes Geschäftsjahr. Das heißt, beides kann zum selben Stichtag erfolgen – zum Beispiel zum 30. Juni. Dies bestätigte ein Sachbearbeiter der Abteilung betriebliche Veranlagung des Finanzamtes Wien. Laut seiner telefonischen Auskunft ist auch nicht mehr zu tun oder zu beachten. Nachteile? Ihm sind keine bekannt und er verweist abschließend auf die Wirtschaftskammer oder eine Steuerberatung.
Die Wirtschaftskammer
Im Zuge der gewerberechtlichen Anmeldung des Handelsbetriebes wird MILA Mitmach Supermarkt eG WKO-Mitglied. Für Auskünfte sind jedoch die Revisionsverbände zuständig.
Im Gründungsleitfaden der WKO ist die Genossenschaft auch heute, in der 27. Auflage, nur als weitere Rechtsform angeführt und als Verein erklärt – ohne detailierte Auskünfte zu Steuern, Sozialversicherung oder Vor- und Nachteilen, wie es sie beispielsweise zum Einzelunternehmen oder zur Kommanditgesellschaft gegeben werden.
Die Revision
Die gesetzlich vorgeschriebene Revision für Genossenschaften wird an das abweichende Geschäftsjahr angepasst. Wir haben bei einem Wirtschaftsprüfer nachgefragt, der als Revisor für Genossenschaften tätig ist und von Rückenwind als Ansprechperson empfohlen wurde: Der Stichtag ist im Grunde egal, wobei viele Menschen in Quartalen denken und daher zum Quartalsende sinnvoll sein könnte.
Für Einzelunternehmen ist ein abweichendes Wirtschaftsjahr nicht möglich. Einzelunternehmer:innen sind weder Unternehmer:innen kraft Rechtsform, siehe § 2 UGB, noch Körperschaften – sie zahlen keine Körperschaftssteuer.
Das Körperschaftssteuergesetz, § 7 Abs. 3 KStG 1988, legt fest: Für alle Steuerpflichtigen, die zur Rechnungslegung verpflichtet sind, ist ein abweichendes Wirtschaftsjahr möglich. Für die Genossenschaft ist Körperschaftssteuer zu zahlen, aber nur wenn ein Gewinn erwirtschaftet wird.
Alle anderen können freiwillig für die Rechnungslegungspflicht optieren. Letzteres reicht allerdings nicht um das Wirtschaftsjahr frei zu wählen – so die Auskunft und rechtlichen Kommentare, übermittelt vom Rechnungsprüfer. Demnach bleiben 700.000 Euro Jahresumsatz als Hürde – die müssen nachhaltig überschritten werden, sonst ist kein abweichendes Wirtschaftsjahr möglich. Hier wird die Genossenschaft gemäß § 189 (1) Z 3 UGB eingeordnet.
Der Revisor rät, dass die*der Steuerberater*in bei der Anmeldung der Genossenschaft mit dem Finanzamt Rücksprache hält – da davon auszugehen ist, dass die Jahresumsatzgrenze rasch überschritten wird: So könnte es möglich sein, von Anbeginn eine Genehmigung dafür vom Finanzamt zu bekommen.
Über 700.000 Euro heißt 60.000 Euro Umsatz im Monat. Anders formuliert, dass ist erreicht, wenn 1.000 Menschen im Monat für 60 Euro einkaufen kommen.
Jahresabschlüsse im Firmenbuch offenlegen?
Das Übermitteln des Jahresabschlusses an das und das Offenlegen im Firmenbuch ist für mittelgroße Kapitalgesellschaften vorgeschrieben, im § 221 UGB, wenn zwei der nachfolgenden Kennwerte überschritten sind – dies gilt gemäß § 22 Abs. 4 GenG gleichermaßen für Genossenschaften:
- 5 Millionen Euro Bilanzsumme;
- 10 Millionen Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag;
- im Jahresdurchschnitt 50 Arbeitnehmer*innen
Es hat nur Vorteile: Wenn wir mit dem Geschäftsjahr für die MILA Mitmach Supermarkt eG vom Kalenderjahr abweichen: Es ist entspannter für alle die den Jahresabschluss vorbereiten und erstellen und leichter für die Inventur, da hier die Lagerstände niedriger sind. Daher hat der MILA Vorstand und die Arbeitsgruppe Genossenschaftsgründung entschieden, das reguläre Geschäftsjahr abweichend vom Kalenderjahr – voraussichtlich zum Stichtag Ende März oder Ende September – in der Satzung festzulegen und dies mit der Steuerberatung bei Neugründung zu beantragen.